Fragen Sie Ihre*n Abgeordnete*n

Wir bitten Sie, während der Koalitionsverhandlungen Fragen via Abgeordnetenwatch zu stellen. Hin und wieder wurde eine Frage durch die Abgeordnetenwatch-Moderation wegen fehlender Quellen abgelehnt. Daher geben Sie bitte möglichst eine Quelle an.

Atomwaffenverbot

  1. Wie stehen Sie zu einem Beitritt Deutschlands zum UN-Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen? Wie zu der Forderung, dass Deutschland als Beobachter am 1. Treffen der Vertragsstaatenkonferenz teilnimmt?

Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist am 22. Januar 2021 in Kraft getreten. Bislang fehlt Deutschland bei diesem historischen Abkommen. Der Vertrag entfaltet bereits Wirkung im Hinblick auf die Debatte über Abrüstung. Er ist ein wichtiger Impuls für die Ächtung von Atomwaffen, die notwendig ist, um diese komplett abzuschaffen. Das erste Treffen der Vertragsstaaten des AVV findet vom 22.-24. März 2022 in Wien statt.
Weitere Informationen zur Staatenkonferenz: https://www.icanw.de/wp-content/uploads/2021/09/2021-09-01_MSP.pdf

  1. Wie stehen Sie zur Beschaffung neuer Atomwaffen-Trägerflugzeuge für die Bundeswehr?

Die Tornado-Kampfflugzeuge sind aus Sicht der Bundeswehr veraltet. Bis 2025 sollen neue Kampfbomber angeschafft werden die auch neue Atombomben des Typs B61-12 ins Ziel tragen sollen. Diese neuen Atomsprengköpfe, deren Stationierung in den kommenden Jahren auch in Deutschland vorgesehen ist, sollen präziser steuerbar, und vielseitiger einsetzbar sein als die bisherigen. Damit sinkt aber auch die Hemmschwelle für einen Einsatz und die Wahrscheinlichkeit dafür steigt.
Weitere Informationen: https://atombomber-nein-danke.de/

Drohnen

  1. Auch wenn bewaffnete Drohnen eingesetzt werden, um Soldat*innen vor einer unmittelbaren Bedrohung zu schützen, ist das Waffensystem oft fehlerhaft: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Kenntnis?

Bündnispartner Deutschlands haben bewaffnete Drohnen nicht nur eingesetzt, um Soldat*innen ihrer Streitkräfte zu schützen, sondern auch für “gezielte Tötungen”. Der letzte bekannte US-Drohnenangriff in Afghanistan vom 29.08.2021 hat in Kabul zehn Zivilist*innen, darunter sieben Kinder, getötet. US-General Kenneth McKenzie, der das zuständige US-Regionalkommando Centcom der US-Streitkräfte führt, erklärte: “Dieser Schlag wurde in dem ernsten Glauben ausgeführt, dass er eine unmittelbare Bedrohung unserer Streitkräfte … verhindern würde, aber das war ein Fehler.” (Tagesschau vom 17.09.21) US-Drohnen in Afghanistan haben bis zu 90% “Unbekannte” getötet. (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/leak-zu-us-drohnenkrieg-die-meisten-toten-sind-unschuldige-zivilsten/12460084.html).

Wie soll sichergestellt werden, dass zum “Schutz deutscher Soldat*innen” die Bundeswehr nicht auch zu Unrecht Verdächtigte angreift und tötet? Wie soll die bekannte psychische Traumatisierung der Menschen, vor allem der Kinder durch die ständig über ihre Köpfe fliegenden potenziell tödlichen Drohnen verhindert werden? Ist die psychische Belastung und Traumatisierung des Bedienungspersonals akzeptabel?

  1. In der 20. Legislaturperiode wird der Bundestag entscheiden ob, oder unter welche Bedingungen, deutsche Drohnen bewaffnet werden dürfen. Sind Sie für oder gegen die Bewaffnung von Drohnen? Und warum?

Sollen die HERON TP Drohnen, die Airbus Euro-Drohnen oder weitere deutsche Drohnen (z. B. für das FCAS Projekt) bewaffnet werden? Die Große Koalition hat die versprochene ausführliche Prüfung zur Bewaffnung von Drohnen nie konsequent durchgeführt: Z. B. sind Opfer und Whistleblower*innen bisher zu wenig gehört worden. Laut einem durchgesickerten US-Regierungsdokument haben US-Drohnen in Afghanistan bis zu 90% unschuldige Zivilist*innen getötet. Ist die Terrorisierung der Zivilbevölkerung durch ständig über ihre Köpfe fliegende tödliche Waffen verhältnismäßig? Hat der Einsatz von bewaffneten Drohnen US-Soldat*innen in Afghanistan oder französische Soldat*innen in Afrika zuverlässig geschützt? Allein mit Aufklärungsdrohnen sind Bundeswehrsoldat*innen sicherer. Seit 2014 sind keine beim Auslandseinsatz getötet worden. (Quelle: https://dserver.bundestag.de/btd/19/077/1907778.pdf)

  1. Wie stehen Sie zur Entwicklung des Luftkampfsystems der Zukunft (Future Combat Air System/FCAS), dessen gigantische Kosten für Entwicklung und Anschaffung auf 300 bis 500 Mrd. Euro geschätzt werden?

Das von Deutschland, Frankreich und Spanien geplante Jahrhundertprojekt ist ein Luftwaffensystem, das zwischen 2040 und 2080 einsetzbar sein soll. Im Zentrum von FCAS steht ein atomwaffenfähiges Kampfflugzeug der noch zu entwickelnden sechsten Generation mit Tarnkappeneigenschaften, das mit bewaffneten, weitgehend autonom agierenden Drohnenschwärmen und der „Eurodrohne“, anderen Flugzeugen, Satelliten, Kriegsschiffen und Heereseinheiten in Echtzeit über eine Gefechtscloud verbunden werden soll. Künstliche Intelligenz, mit ihrer Gefahr der autonomen Kriegsführung ist ein wesentlicher Bestandteil. Letztlich soll FCAS die EU militärstrategisch autonom machen, um eine weltweite Luftüberlegenheit zu erreichen. (FAZ.net, 21.2.20, Zukunft der europäischen Luftwaffen). In der nächsten Legislatur stehen Entscheidungen an zunächst zum Bau eines flugfähigen Kampfflugzeuges (Demonstrators) für mehr als 3,5 Mrd. Euro.

Klimaschutz

Wie stehen Sie zu der Forderung nach einer Erfassung und transparenten Veröffentlichung des CO2-Fußabdrucks der Bundeswehr (inklusive von Auslandseinsätzen)?

Während der Verhandlungen über das Kyoto-Abkommen von 1997 wurden die militärischen Treibhausgasemissionen angesichts der Forderungen durch die US-Regierung von den Klimaverhandlungen ausgenommen. Diese Ausnahme hat sich fortgesetzt. Das Pariser Abkommen von 2015 überließ die Reduzierung der militärischen Treibhausgasemissionen dem Ermessen der einzelnen Staaten. Das Rahmenübereinkommen der UN über Klimaänderungen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zur Veröffentlichung der jährlichen Treibhausgasemissionen, doch die Berichterstattung über militärische Emissionen ist freiwillig. Eine umfassende Erhebung und Veröffentlichung der Treibhausgasemissionen, die durch die Ausrüstung und die Auslandseinsätze der Bundeswehr entstehen, fehlt bisher. Lediglich der CO2-Ausstoß in den Liegenschaften sowie der militärischen und zivilen Fahrzeuge im Inland werden bisher erhoben und in den nationalen Klimainventaren angegeben.
Weitere Informationen unter: https://ippnw-wahlrezepte.de/wahlrezepte/klimaschutz-waehlen


Menschenrechte

Wie stehen Sie zu Abschiebungen, insbesondere von Angehörigen vulnerabler Gruppen? Was werden Sie konkret unternehmen, um Abschiebungen dieses Personenkreises zu verhindern?

Seit 2016 ist die EU-Aufnahmerichtlinie zur frühzeitigen Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Menschen und Gruppen auch in Deutschland gültig. Dennoch haben bisher nur drei Bundesländer ein strukturiertes Verfahren mit klaren Zuständigkeiten, um besonders schutzbedürftige Personen frühzeitig im Asylverfahren zu identifizieren und ggf. einen besonderen Unterstützungsbedarf zu ermitteln. Von einer zufriedenstellenden Umsetzung ist Deutschland weit entfernt. Im Gegenteil wird der Unterstützungsbedarf im Asylverfahren oft nicht erkannt und es werden immer wieder schwer traumatisierte und erkrankte Menschen, schwangere Frauen (auch trotz Risikoschwangerschaft) und Menschen mit Behinderungen abgeschoben. Diese Situation hat sich durch die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Änderungen im Asylpaket II und Geordnete-Rückkehr-Gesetz der letzten Jahre noch verschlechtert.
(Quelle: https://www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2020/11/BAfF_Reader_Identifizierung.pdf)   
 
Wie stehen Sie dazu, dass gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung seit dem Asylpaket II und Geordnete-Rückkehr-Gesetz schwerer geltend gemacht werden können? Werden Sie dagegen etwas unternehmen?

Seit den letzten Asyl- und Aufenthaltsgesetzesnovellen sind nur noch „lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden“, als erhebliche Gesundheitsgefahren zu betrachten. Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gilt grundsätzlich nicht mehr als schwerwiegende Erkrankung, die einer Abschiebung entgegensteht. Das Vorliegen eines gesundheitlichen Abschiebehindernisses muss von der asylsuchenden Person durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen vorgebracht werden. Die Beweislast liegt bei dem oder der Geflüchteten. Dabei werden nur noch Begutachtungen durch Fachärzt*innen akzeptiert, psychologische Gutachten von Psychologischen Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendtherapeut*innen sind grundsätzlich nicht mehr zugelassen. Für diesen Ausschluss gibt es keinerlei fachliche Begründung. Zusammen mit der Beweislastumkehr und den kurzen Fristen hat dieser Ausschluss schwerwiegende Auswirkungen auf die faktische Möglichkeit, besondere Schützbedürftigkeit geltend zu machen.  Es kommt deshalb zu Abschiebungen trotz schwerer Krankheit und besonderer Schutzbedürftigkeit.
(Quelle: https://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Soziale_Verantwortung/Report_Gesundheitliche-Folgen-Abschiebung_FINAL_web.pdf)
 
Wie stehen Sie zu einer bundesweiten Bleiberechtsregelung für alle in Deutschland geduldeten Afghan*innen und einem vereinfachten Familiennachzug für afghanische Geflüchtete?

In den letzten Jahren und Monaten wurden trotz der desolaten Sicherheitslage in Afghanistan zahlreiche Asylanträge von Afghan*innen in Deutschland abgelehnt. Viele Afghan*innen bleiben dadurch grundsätzlich ausreisepflichtig und besitzen lediglich den Status einer Duldung. Mit der Machtübernahme der Taliban ist zu befürchten, dass sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan auf unabsehbare Zeit nicht verbessern wird. Für viele gesellschaftliche Gruppen, wie Mädchen und Frauen, Oppositionelle oder Rückkehrer aus dem Ausland, ist sogar von einer massiven Verschlechterung auszugehen. Die Antwort des BAMF darauf ist, bis auf weiteres über die allermeisten Asylanträge von Afghan*innen nicht zu entscheiden. Damit bleibt die existenzielle Unsicherheit für die Betroffenen bestehen. Zugleich stellt die Machtübernahme der Taliban eine massive psychische Belastung für die afghanische Community in Deutschland dar. Viele haben Angehörige in Afghanistan, von denen jetzt einige auf der Flucht sind und unter unermesslichen Ängsten um ihre Familien leiden. Wir beobachten in der Arbeit mit unseren Patient*innen, wie Traumata reaktiviert werden und Gesundheitszustände sich drastisch verschlechtern. Wegen der Unmöglichkeit der Rückkehr nach Afghanistan fordern Flüchtlingsräte, Menschenrechtsorganisationen, Landeskirchen und zuletzt auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), allen bereits in Deutschland lebenden Afghan*innen ein dauerhaftes Bleiberecht zu erteilen und einen vereinfachten Familiennachzug zügig zu ermöglichen. Die derzeitige Alternative einer Nichtbearbeitung von Anträgen oder das Erteilen von sog. „Kettenduldungen“ führt dazu, dass Menschen lange Zeit nicht wirklich ankommen und keine Lebensperspektiven entwickeln können. Wichtige Heilungsprozesse werden erschwert oder zunichtegemacht. 
(Quellen: https://www.proasyl.de/hintergrund/hinweise-fuer-afghanische-fluechtlinge-und-ihre-beraterinnen/https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/dreyer-bleiberecht-fluechtlinge-100.htmlhttps://www.petition-bleiberecht.de)

Energiewende

Wie stehen Sie zu der Forderung aus der Anti-Atom-Bewegung, die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau in den Atomausstieg einzubeziehen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt stillzulegen?

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima haben sich Bundesregierung und Bundestag 2011 entschlossen, die Nutzung der Atomenergie in Deutschland zum 31. Dezember 2022 zu beenden. Von diesem Ausstieg wurden aber die Urananreicherung in Gronau sowie der Brennelementefertigung in Lingen ausgenommen. Der Urananreicherungskonzern Urenco belieferte beispielsweise bis 2011 auch aus Gronau den Fukushima-Betreiber Tepco. Im Jahre 2017 fanden erstmals wieder Transporte mit angereichertem Uran von Gronau nach Japan statt. Lingen ist die einzige Brennelementefabrik Deutschlands in Betrieb. Sie beliefert unter anderem Hochrisikoreaktoren in Nachbarstaaten wie Belgien, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Schweden und Finnland. Im Februar 2021 kündigte der französische Atomkonzern Framatome an, im emsländischen Lingen zusammen mit dem russischen Atomkonzern Rosatom ein Joint Venture zur Brennelementeproduktion gründen zu wollen.