Menschenrechte umsetzen

Unser Rezept: Abschiebungen von Schutzbedürftigen stoppen

Jede Abschiebung ist ein staatlich legitimierter Gewaltakt. Sie ist ein Angriff auf die Würde des Menschen. Jede Abschiebung und deren Androhung gefährdet die Gesundheit und manchmal sogar das Leben der betroffenen Personen. Das gilt insbesondere für besonders schutzbedürftige Gruppen wie traumatisierte Personen und Menschen, die mit Einschränkungen oder schweren chronischen Erkrankungen leben, Kinder und Jugendliche sowie schwangere Frauen.

Wir appellieren an die Abgeordneten im künftigen Bundestag, sich für eine menschen- und völkerrechtsbasierte Migrations- und Asylpolitik einzusetzen. Abschiebungen besonders schutzbedürftiger Personen müssen beendet und Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete dauerhaft gestoppt werden.

Gesundheitliche Auswirkungen

Angst und existentielle Unsicherheit sind ständige Begleiter von vor Abschiebung bedrohter Personen. So genannte „geduldete“ Geflüchtete müssen teilweise jahrelang fürchten, abgeschoben zu werden. Das kann zu schwerwiegenden psychischen und gesundheitlichen Folgen führen. Ihr unsicherer legaler Status zieht eine Reihe von strukturellen Diskriminierungen nach sich. Diese Zeit der dauernden Unsicherheit ist ein erheblicher Stressfaktor für Geflüchtete und kann zu psychischen Störungen bis hin zur Selbstgefährdung führen. Wichtige Heilungsprozesse werden erschwert oder zunichte gemacht.

Die Situation

Nach dem so genannten „Sommer der Migration“, in dem 2015 Hunderttausende Menschen aus Syrien und anderen Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland flohen, wurden ab 2016 die Aufenthaltsgesetze in Deutschland verschärft, um Menschen wieder leichter „rückführen“ zu können. Rund 280.000 ausreisepflichtige Personen lebten 2020 in Deutschland.

Gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung anzubringen, wurde seitdem weiter erschwert. So gilt eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nicht mehr als schwerwiegende Erkrankung, die einer Abschiebung grundsätzlich entgegensteht. Andere Traumafolgestörungen werden ignoriert. Der Zugang zu Attesten im Asylverfahren wurde erschwert. Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendtherapeut*innen dürfen diese nicht mehr ausstellen.

Vermehrt werden in den letzten Jahren auch schwangere Frauen – sogar bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft – noch bis kurz vor der Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes abgeschoben. Auch Abschiebeversuche aus stationärer Behandlung sind keine Einzelfälle mehr.

Demostration gegen Abschiebungen nach Afghanistan (Berlin, 2017)
Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan (Berlin, 2017)

Wir fordern

  • Die Abschiebung von besonders schutzbedürtigen Personengruppen – dazu gehören u.a. schwer (chronisch) kranke und traumatisierte Menschen, Kinder und Jugendliche, schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen – muss verboten werden. Die EU-Richtlinie zur frühzeitigen Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Menschen und Gruppen, die seit 2016 auch in Deutschland gilt, muss endlich in nationales Recht übernommen und umgesetzt werden.
  • Schwere, besonders psychische Erkrankungen wie PTBS und Traumafolgestörungen müssen in jedem Verfahren berücksichtigt und jederzeit ins Verfahren eingebracht werden können. Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendtherapeut*innen müssen berechtigt sein, psychische Erkrankungen im Rahmen eines Asylverfahrens zu diagnostizieren.
  • Krankenhäuser und Kliniken müssen als geschützte Orte geachtet werden. Stationär behandlungsbedürftige Geflüchtete sind nicht reisefähig. Wir appellieren an unsere Kolleg*innen im Gesundheitswesen, sich nicht an Abschiebungen aus stationärer Behandlung zu beteiligen.
  • Die Beurteilung der Behandlungsmöglichkeiten und der politischen Situation der Herkunftsländer sollte realistisch, aktuell und einzelfallbezogen sein und nicht von politischen und diplomatischen Rücksichtnahmen geprägt. Das Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention, das die Rückführung von Personen in Staaten untersagt, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, muss gewahrt werden.
  • Abschiebungen sind Gewaltanwendungen und so immer mit rechtsstaatlichen Prinzipien abzuwägen. Aufwand und Kosten sprechen ebenso gegen Abschiebungen wie ihre humanitären Folgen.
  • Wer Fluchtbewegungen verhindern will, muss eine Politik machen, die Fluchtursachen vorbeugt und reduziert. Dazu gehört in erster Linie eine konsequente Friedens- und Klimaschutzpolitik.

Menschenwürdige Migrations- und Asylpolitik

Als Verein von Ärzt*innen in sozialer Verantwortung engagieren wir uns für eine menschenwürdige Migrations- und Asylpolitik und machen auf den Zusammenhang von militarisierter Außen- und Sicherheitspolitik und Flucht aufmerksam.

Unser IPPNW-Report macht auf die erheblichen gesundheitlichen Folgen von Abschiebungen aufmerksam. In welchem Ausmaß das Recht auf Gesundheit von Migrant*innen und Geflüchteten verletzt wird, zeigt auch das zivile Menschenrechtstribunal. Empfehlungen für heilberuflich Tätige in Abschiebesituationen finden Sie in unserer Handreichung.

Asylsuchende sind Menschen mit Würde und Rechten. Sie haben individuelle oder kollektiv geteilte Schicksale und befinden sich in besonders vulnerablen Situationen. Asylsuchende dürfen nicht als Objekte oder als politische Manövriermasse behandelt werden!

Wir fordern die künftige Bundesregierung dazu auf, Abschiebungen besonders schutzbedürftiger Personen zu beenden und Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete dauerhaft zu stoppen.